Europarat kritisiert mangelnde Pressefreiheit
Meinungs- und Informationsfreiheit in vielen
Ländern Mangelware
Von Dr. Matthias Kurp, 30.04.2001
Der
Europarat hat Angriffe auf die Pressefreiheit kritisiert. In einer
Entschließung wurde einstimmig ein besseres System zur Sicherung von Meinungs-
und Informationsfreiheit gefordert.
Der Europarat lässt ständig die
Entwicklung der Pressfreiheit untersuchen. Dabei hat sich gezeigt, dass in den
43 Mitgliedstaaten noch lange nicht überall von existierender Meinungs- und Informationsfreiheit
gesprochen werden kann. Allein im vergangenen Jahr wurden in Europa zehn
JournalistInnen getötet, die sich kritisch mit Themen wie Terrorismus,
Korruption oder Drogenhandel auseinander gesetzt oder über Themen wie
Menschenrechtsverletzungen oder die Verfolgung ethnischer Gruppen berichtet
hatten.
Am stärksten bedroht sind Medien- und
Meinungsfreiheit in Osteuropa, aber auch in Südeuropa. In der Ukraine
wurde der Journalist Gongadse ermordet, in Jugoslawien der Publizist
Curuvija. Doch außer diesen prominenten Fällen gibt es auch andere Methoden, um
kritische Berichterstattung im Keim zu verhindern. So wies der ungarische
Berichterstatter Gyula Hegyi bei der Versammlung des Europarates am 24. April
darauf hin, dass in Kroatien und Aserbeidschan noch immer
nicht-staatlicher Rundfunk untersagt sei. In Ungarn seien in den
Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausschließlich
Regierungsparteien vertreten.
Besonders bedroht sind Meinungs- und Pressefreiheit
noch immer in Russland, Aserbeidschan, der Ukraine und der
Türkei. In diesen Ländern gibt es, so heißt es im Europarat-Bericht,
noch immer gesetzliche Bestimmungen, mit denen JournalistInnen mundtot gemacht
werden. Dabei handelt es sich um gesetzliche Klauseln, die angeblich dem Erhalt
der öffentlichen Ordnung, der nationalen Sicherheit oder einer ungenau
umrissenen territorialen Integrität dienen sollen. Viele journalistische
Bewertungen werden außerdem einfach als Beleidigungstatbestände interpretiert
und deshalb rechtlich verfolgt.
Ü
Pressefreiheit auch in westlichen Ländern bedroht
Hegyi berichtete aber auch von problematischen Fällen
in westlichen Ländern. So würden in Griechenland ähnlich wie in der Türkei
Journalisten mit zahlreichen Strafverfahren unter Druck gesetzt. In Österreich
wurde, nachdem die FPÖ zur Regierungspartei avanciert war, der
Haider-kritische Redakteur Gerhard Marschall von seiner Zeitung
(Oberösterreichische Nachrichten) genau an dem Tag entlassen, an dem die
ÖVP-FPÖ-Koalition vereidigt wurde. Besonders prekär ist dabei der Umstand, dass
die Kündigung mit einem Hinweis auf die neue politische Situation verbunden
war.
Darüber hinaus lassen sich Medien häufig auch von
internationalen oder nationalen Institutionen instrumentalisieren. Hegyi
erinnerte an gezielte Nato-Fehlinformationen aus dem Kosovo. Auch als in
Luxemburg das Fernsehen im vergangenen Jahr einen Kidnapper in eine für
ihn tödliche Falle gelockt habe, sei dies ein Fall von Manipulation gewesen.
Das erfülle der Sache nach fast den Tatbestand der Beihilfe zu Mord,
kritisierte der ungarische Sozialdemokrat Hegyi.
Die Mitglieder des Europarates riefen am Ende ihrer
Versammlung einstimmig zu größerem Engagement bei der Verteidigung der Presse-
und Informationsfreiheit auf. An alle 43 Mitgliedstaaten wurde appelliert, ein
wirksameres System zur freien Meinungsäußerung zu installieren und garantieren.
Hegyi forderte gar, die gegen Pressefreiheit verstoßenden Staaten müssten
gezwungen werden, über die Beseitigung der Missstände öffentlich Rechenschaft
abzulegen. Auf konkrete Sanktionen aber mag sich der Europarat bislang nicht
festlegen. So wurde auch nach dem Sturz des pro-westlichen ukrainischen
Regierungschefs Viktor Juschtschenko der ukrainische Präsident Leonid Kutschma
nicht mit Sanktionen konfrontiert. Die Journalistenvereinigung Reporter ohne Grenzen kritisierte
diese Entscheidung als „harten Schlag für all diejenigen, die die Freiheit in
der Ukraine verteidigen“.